Aus Finnland zurückgekommen sind wir natürlich in der Pflicht, das Versprechen zu halten, dass wir unserem (noch) Jüngsten gegeben hatten: nämlich in diesem Jahr nochmal zum Wildwasserkanal in Budweis zu fahren, damit auch er die Chance bekommt, seine Fähigkeiten im Wildwasser auszutesten und zu erweitern.
Zuerst macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung, wochenlang ist es trübe, grau und nass und DAVON haben wir nun wahrlich genug. Aber Ende September kündigt sich nochmal ein herrlich warmes Spätsommerwochenende an und so packen wir die Gelegenheit beim Schopf und brechen gleich am Freitagnachmittag nach Budweis auf. Genauer gesagt in den Vorort Ceske Vbrne, wo sich der Wildwasserkanal mit angeschlossenem Zeltplatz befindet, den wir im letzten Jahr kennengelernt hatten.
Als wir ankommen ist es bereits dunkel. Wir bauen unser Zelt zwischen den Bäumen in der Nähe des Waschhauses auf. Noch ist alles ruhig, am Telefon hatte man uns davor gewarnt, dass hier an diesem Wochenende auch ein Techno-Festival stattfindet, auf der großen Wiese am anderen Ende des Geländes.
Wir laufen mit den Kindern nochmal am leeren Kanal entlang, erinnern uns an unseren ersten Besuch hier im letzten Jahr. Ganz oben das Große Becken und die erste große Stufe. Hier geht es einen knappen Meter abwärts, gefolgt von wilden Wellen und Walzen. Danach ein paar ruhigere Becken mit geringeren Schwierigkeiten und flachen Uferböschungen, durchsetzt von kleinen Badebuchten. Dann folgt die Fußgängerbrücke über den Kanal und ab hier geht es richtig zur Sache: Hindernis folgt auf Hindernis, die Schwierigkeiten erreichen WWIII, hier sollte man wissen, was man tut. Danach wird es wieder sukzessive einfacher, zum Kanalende hin nimmt die Schwierigkeit immer weiter ab, bis der Kanal dann wieder in die Moldau einmündet. An den schrägen, gemauerten oder natürlichen Böschungen gibt es immer wieder Möglichkeiten, ein- oder auszusetzen. Das macht diesen Kanal auch für Anfänger zu einem idealen Übungsgelände.
Das Areal ist fast ausgestorben, so spät im Jahr sind nur wenige andere Gäste auf dem Platz. Leider steht der Wind ungünstig und die am anderen Moldauufer gelegene Kläranlage verbreitet überall einen intensiven Geruch.
Als wir uns gerade in die Schlafsäcke verzogen hatten beginnt die „Musik“. Intensives Bassgedröhne durchdringt den ganzen Platz, ein dumpfes ütz-ütz-ütz begleitet uns in einen unruhigen Schlaf.
Das Dröhnen der Bässe bleibt dieses Wochenende unser ständiger Begleiter, es gibt kein Entkommen, keine Sekunde der Ruhe. In der oberen Hälfte des Kanals und an unserem Zeltplatz ist es ganz erträglich, ein fernes Wummern nur, am unteren Ende dagegen durchdringen die Bässe alles und machen jedes Gespräch unmöglich.
Am nächsten Tag frühstücken wir in der Morgensonne direkt am Kanal und bauen dann die Boote auf, während der Kanal langsam geflutet wird. Wie wir da unsere Gummiboote aufblasen, eine Familie in Straßenkleidung, mit zwei Kindern und schwangerer Frau und das kurz vor dem wildesten Abschnitt des Kanals, in dem das Wasser nur so tost und brodelt – wir scheinen einen etwas blauäugigen Eindruck zu machen, zumindest werden wir von dem vorbeikommenden Betreiber des Kanals ziemlich kritisch beäugt. Etwas später, angetan mit Helmen, Schwimmwesten und Trockenanzügen sieht das schon anders aus…
Dann kann es endlich losgehen. Nicht für mich allerdings, ich bin – selbstverordnet – diesmal als reiner Zuschauer dabei.
Wir beginnen am unteren Ende des Kanals, kurz vor seiner Einmündung in die Moldau. Hier sind die Schwierigkeiten gering, ein optimales Revier zum Aufwärmen. Trotzdem bin ich ein bisschen nervös, ob Jaaku sich ganz allein gegen Wellen und Strömung behaupten kann. Er kann! Flankiert von seinem Vater und seinem Bruder macht er seine erste Abfahrt, lässt sich nicht verunsichern und trotzt mit kräftigen Paddelschlägen den kleinen Stromschnellen und Wellen, die ihn bald hierhin, bald dorthin treiben wollen. Stolz trägt er sein Boot zurück zum Ausgangspunkt und sofort geht es wieder ins Wasser. Diesmal schon deutlich forscher traut er sich erste Kehrwassermanöver zu, gewinnt mehr und mehr Kontrolle über das Boot. Bald tanzen die drei im Kanal einen bunten Ringelreihen, nutzen jedes kleine Kehrwasser, fahren bald stromauf, bald stromab, vom Kehrwasser in die Strömung und zurück, surfen auf kleinen Wellen… mit so einer steilen Lernkurve hätte ich niemals gerechnet!
Blad schon folgt der nächste Schritt, die Jungs setzen ihre Boote ein Becken weiter oben ein, wo das Wasser schon deutlich wilder ist. Niklas ist hier schon ein alter Hase, reitet gekonnt die Wellen und Walzen, ist so sicher unterwegs, dass man getrost nur ein halbes Auge auf ihn haben muss. Jaaku dagegen tut sich hier noch schwerer, kämpft aber wacker und erarbeitet sich immer mehr Kontrolle. Einmal verliert er aber doch den Kampf gegen eine unerwartete Querströmung, schneller als ich schauen kann liegt er im Wasser, während das Boot weitertreibt. Schnell renne ich zu ihm, versuche ihn den griffbereiten Wurfsack zuzuwerfen, aber: zu kurz. Er landet auf der Böschung und verheddert sich im dornigen Gesträuch. Zum Glück ist ja Lars auch noch mit auf dem Wasser. Jaaku selbst scheint durch das plötzliche Bad wenig aus der Ruhe gebracht. Wacker versucht er, unterstützt durch seinen Vater, ans Ufer zu kommen und klettert schließlich tropfnass die Böschung hinauf, während Lars das verloren dahintreibende Boot aus einem Kehrwasser birgt.
Ein wenig frustriert ist Jaaku schon nach seinem Missgeschick, das hält ihn aber nicht davon ab, gleich wieder ins Boot zu steigen und erneut sein Glück zu versuchen.
So vergeht der Vormittag und ehe wir’s uns versehen wird auch schon der Kanal zur Mittagspause abgelassen. Und die Pause haben die Kinder wirklich nötig, so sehr haben sie sich die letzten drei Stunden lang im Wasser verausgabt!
Wir nutzen die Zeit zum Mittagessen und genießen den warmen Sonnenschein am jetzt leise dahinplätschernden Wasserlauf. Doch beim ersten Anzeichen, dass der Kanal wieder gefüllt wird und die Wasserwucht zurückkehrt, sind die Kinder schon nicht mehr zu halten. In kürzester Zeit haben sie wieder in Trockenanzug, Helm und Schwimmweste an und stürmen zu den Booten.
Noch einmal geht es in den unteren Kanalbereich, wo Niklas seine Einsetzstelle immer weiter nach oben verschiebt, Stück für Stück immer wilderem Wasser trotzt. Jaaku würde es seinem älteren Bruder sooo gerne nachtun, traut es sich aber nicht. Ehrgeiz und Vorsicht kämpfen in ihm gegeneinander an, bis sich der Frust in heißen Tränen Bahn bricht. Zeit für einen Tapetenwechsel! Wir verlegen unseren Aktionsbereich also in die beiden ruhigeren Becken im obersten Kanalbereich. Hier sind alle wieder zufrieden und auch dieser Abschnitt hat als Trainingsbereich so einiges zu bieten.
Für Niklas lockt jetzt natürlich die große oberste Stufe mit ihrem steilen Abfall und den großen Wogen. Nach einigem Hin und Her und einer Testfahrt von Lars geben wir seinem Drängen nach und erlauben ihm den Versuch. Mittig fährt er an, geradeaus hinab in die größten Wellen, hat ein bisschen zu wenig Schwung, wird von der Welle erfasst und um die eigene Achse gedreht. Boot und Kind verschwinden kurz vollständig hinter einer Wasserwand, dann taucht er wieder auf, sitzt noch immer im Boot, erlangt die Kontrolle zurück und kämpft sich weiter in ruhigeres Wasser. In dem großen Boot – ein Zweisitzer für Erwachsene – hat er wenig Halt, wird hin und hergeworfen, liegt zwischenzeitlich mehr als dass er sitzt. Umso erstaunlicher, dass er die Abfahrt tatsächlich schafft. Hier zeigt sich deutlich die Grenze unserer Explorer 42: als Tourenboot für zwei gedacht sind sie natürlich weder als Wildwassermodell noch als Kinderboot besonders geeignet.
Die nächsten Abfahrten macht Niklas das im deutlich kleineren Anfibio Delta, das für ihn genau die richtigen Maße besitzt.
Und so verbringen die Jungs die Zeit mit Paddeln, Kehrwasserfahren, Kenterübungen am Rand des Beckens, mit Abschwimmen einer Stromschnelle und damit, sich von Hindernis zu Hindernis stromaufwärts zu arbeiten, mit Surfversuchen und gewagten Querungen. Der Nachmittag vergeht wie im Flug und als der Kanal gegen 17:30 Uhr langsam wieder abgelassen wird, verlassen die Kinder ihre Boote erst, als auch wirklich alles Wasser abgeflossen ist.
Dann aber kommen Bärenhunger und Erschöpfung hervor, war ja auch ein langer, anstrengender Tag!
Während wir am Ufer grillen und die Erlebnisse des Tages Revue passieren lassen, wärmt uns noch die Abendsonne, aber es ist bereits Ende September und so wird es dann doch recht schnell dunkel und kühl.
Ein weiteres Mal begleitet und das unablässige Gewummer der Techno-Beats durch die Nacht, aber zumindest die Kinder sind so müde, dass sie hiervon nur wenig mitbekommen.
Am nächsten Morgen sind wir zeitig auf und mit Öffnung der Schleusen sogleich auf dem Wasser. Auch dieser Paddelvormittag wird nochmal intensiv genutzt um das Erlernte zu festigen und allerlei Neues auszuprobieren. Allzu schnell sind die drei Stunden bis zur Mittagspause wieder vorbei und für uns heißt es damit Abschied nehmen, denn bis München ist es noch weit und morgen wartet leider schon wieder die gewohnte Routine aus Schule und Arbeit.
Aber eines ist sicher: das wird nicht unser letzter Ausflug zum Wildwasserkanal gewesen sein!