Zu unserer Erleichterung bleibt die Anzahl nächtlicher Besucher im Zelt gering. Ganz anders sieht es darunter aus: als wir das Zelt abbauen, ist der Footprint ein einziges Ameisen-Heerlager. Nochmal Glück gehabt!
Auch der heutige Tag ist grau, trübe und windig. Nichts neues also. Nur noch wenige Kilometer trennen uns jetzt von Juntusranta. Fast unmerklich geht der Fluß in einen See über, der sich nach und nach verbreitert. Und dann sind wir an unserem Ziel angekommen: Juntusranta, der mit Abstand größte Ort der Umgebung und doch nicht wenig mehr als eine Anzahl im Wald versprengter Häuschen.
Wir landen an einer offenbar zu diesem Zweck angelegten Rampe an und machen uns

auf die Suche nach dem kleinen Geschäft, das es hier im Ort gibt. Unterwegs begegnet uns keine Menschenseele. Der Laden ist zum Glück geöffnet und gut ausgestattet und wir nutzen die Gelegenheit, um unsere Vorräte wieder aufzufüllen. Dann kehren wir zurück zu den Booten und steuern die gegenübergelegene Sandbank Kalmosärkkä an. Kalmosärkkä, „Leichensandrücken“, eine kuriose, wenige Meter breite und ca. 1,2km lange kiefernbewachsene Sanddüne, die den See von einem breiten Moorgebiet trennt. Ein geschichtsträchtiger Ort: Funde belegen eine Besiedlung ab 6000 v.Chr., prähistorische Jagdgruben wurden hier gefunden, Schmuck und steineren Speerspitzen. Später wurden hier Leichen bestattet, daher der Name. Im zweiten Weltkrieg verlief hier die Front zwischen Russland und Finnland, gut erkennbare Schützengräben zeugen noch hiervon.
Wir landen an der nördlichsten Spitze an. Eine winzige Anhöhe mit Feuerstelle. Wunderschön, aber klein, wirklich klein! Ein weiterer Lagerplatz ist auf halber Länge des Sandrückens eingezeichnet. Wir erkunden die Lage. Dort ist weit mehr Platz um unser Zelt komfortabel aufzustellen, aber unsere kleine erhöhteLandspitze zwischen See und Sumpf gefällt uns weit besser. Der Zeltaufbau gelingt gerade so auf dem einzigen halbwegs ebenen Fleck, am Fußende wird es schon reichlich abschüssig.
Die Hängematte wird aufgehängt und die Kinder ziehen los, um in den zahlreichen kleinen, sandingen Buchten entlang der Insel zu spielen. Von einem Streifzug ins flache Wasser kommen die beiden stolz mit einer handvoll „Schrauben“ zurück, die sie gefunden hatten. Wir erkennen sofort, was diese „Schrauben“ wirklich sind: Weltkriegsmunition! Erschrocken greifen wir ein und bleuen den Kindern ein, solche Fundstücke auf keinen Fall anzufassen…
Den Nachmittag über kommt sogar die Sonne noch hier und da heraus – klar dass unser Nachwuchs wieder ausgiebig badet. Wir lassen es ruhig angehen, bevor der Bus am Montagmorgen fährt, haben wir noch einen ganzen Tag auf unser kleinen, geschichtsträchtigen Robinsoninsel.
Und den Ruhetag genießen wir sehr. Wir laufen die gesamte Länge der Sandbank ab, lesen interessiert die verschiedenen Infoschilder zur Geschichte von Kalmosärkkä, finden Schützengräben und Maschinengewehrnester, lernen über die Befestigungsmaßnahmen gegen Erosion, denn seit dem Bau eines Staudamms ams See ist der Wasserspiegel deutlich gestiegen, der Fortbestand dieser jahrtausendealten Insel damit bedroht.
An einer Stelle führt ein langer Holzbohlenweg durch Moor zum Festland. Ein neu angelegter Pfad, daneben morsche, verfallene Reste eines alten. Klar, welchen der Wege unsere Kinder vorziehen…
Gegen Nachmittag kommt Wind auf, der immer stärker wird. Nachts kommt noch

heftiger Regen dazu. Wild zerrt der Sturm an unserem Zelt, so dass Lars noch einmal aufsteht, um nach den Booten zu schauen. Alles in Ordnung. Aber die Windrichtung ist ungünstig, von Südwesten her weht es, dort wo sich der See am weitesten streckt, viel Raum, um beeindruckenden Wellengang aufzutürmen in der Enge, die wir früh am nächsten Morgen überqueren müssen auf dem Weg zurück nach Juntusranta. Wir schlafen schlecht, rechnen nicht damit, morgen die Überfahrt wagen zu können.
Trotzdem stehen wir gegen 4 Uhr auf, denn der Bus fährt bereits gegen 6 Uhr und bis dahin müssen wir noch einiges an Strecke überwinden. Es beginnt gerade zu dämmern. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen und der Wind hat auf West gedreht. Rückenwind nun, und kaum Wellen, kein Hindernis also.

Zügig packen wir unsere Sachen und setzen die ca. 500m nach Juntusranta über. Mit von Müdigkeit und Wind steifen Fingern müssen wir jetzt unsere Boote wegpacken, dann beginnt der schwerbepackte Marsch zur Bushaltestelle, die einen knappen Kilometer entfernt liegt. Den Löwenanteil des Gepäcks muss wieder Lars tragen, denn ich möchte kein Risiko eingehen. Die Pausen, die wir auf unserem Fußmarsch einlegen werden immer länger. Irgendwann lässt Lars einen Teil des Gepäcks zurück, läuft lieber ein zweites Mal. Trotzdem haben wir noch etwas Zeit, bevor der Bus kommt. Ein paar Müsliriegel bilden unsere erste karge Mahlzeit, dann beginnt die Nervosität: sind wir am richtigen Ort? Kommt der Bus auch wirklich? Natürlich kommt er. Und bald sitzen wir erleichtert im Warmen und können uns endlich etwas entspannen nach einer durchwachten Nacht.
Da wir noch ein paar Urlaubstage übrig haben, ist erneut das Hossa Visitor Center unser Ziel um von dort aus weiter ins Herz des Nationalparks vorzudringen.