Am nächsten Morgen sind die flachen Bergkuppen ringsum von frischem Schnee bedeckt. Der Himmel ist wolkenverhangen, aber es ist trocken und zumindest nicht eiskalt. Heute wollen wir die Küste entlang nach Norden zum Eisfjord wandern. Etwa sechs Kilometer sind das in eine Richtung, eine Strecke, die – zumal ohne Gepäck – mit den Kindern inzwischen gut machbar ist.Die ersten paar Kilometer fällt das Gehen leicht und wir kommen rasch voran, denn es gibt zur Abwechslung einen richtigen Pfad, der sich zwar hier und da mal verliert, aber der doch sehr gut zu gehen ist. Ebene Tundraabschnitte mit niedrigstem Gestrüpp, das in roten, gelben und grünen Farben leuchtet wechselt sich ab mit Felsen und schwarzen Geröllfeldern. Vereinzelt weisen phantasievolle Steinmännmchen den Weg und zu unser Linke liegt immer das Meer, in dem auch heute immer wieder Wale zu sehen sind. Ein paar kleine Bäche sind zu überqueren – an einem legen wir, wie üblich eine lange Spielpause ein – und jedesmal denke wir, wie herrliche es wäre, dort auch noch für ein paar Tage zu zelten und einfach die Landschaft zu genießen. Eine wirklich ideale Gegend für einen Familienurlaub – naja, entsprechende Erfahrung vorausgesetzt, und man sollte schon einigermaßen hart im Nehmen sein…
Bei einem verlassenen Friedhof endet der Pfad, ab hier müssen wir uns unseren Weg

selber suchen. Das Gelände wird anspruchsvoller, immer wieder sind kurze Sumpfgebiete zu überqueren und einmal müssen wir sogar umkehren und uns einen anderen Weg suchen, da ein kleines Felsmassiv sich als unpassierbar erweist.
Irgendwann stoßen wir auf eine Reihe alter Eskimogräber, aufgeschichtete Steinhaufen, unter denen man menschliche Gebeine erkennen kann. Wenn man weiß, wonach man Ausschau halten muss, findet man solche Gräber hier immer mal wieder.

Dann stehen wir plötzlich vor einem großen Sumpfgebiet, durchzogen von unzähligen flachen, aber breiten Rinnsalen. Da müssen wir wohl oder übel durch, wenn wir zum Eisfjord wollen. Also los! Das Vorwärtskommen ist mit einem Mal deutlich anstrengender, der Boden gibt bei jedem Schritt nach und wir müssen so manchen Umweg machen um den allgegenwärtigen Wasserläufen auszuweichen, oder eine passierbare Stelle zu finden. Zu unserer Überraschun machen die Kinder wieder mal alles ohne Murren mit. Auf der anderen Seite angelangt haben wir dann schon fast den Eisfjord erreicht – denken wir zumindest. Aber in Wirklichkeit folgt noch ein Felsmassiv aufs nächste und es dauert noch eine ganze Weile, bis wir unser Ziel endlich erreicht haben.
Endlich angekommen ist der Ausblick natürlich großartig und wir kochen erst einmal ein wohlverdientes Mittagessen. Allzu lange halten wir uns allergins nicht auf, denn in der Ferne türmen sich düstere Wolken auf, das Wetter droht umzuschlagen. Tatsächlich kommt dann aber nur hier und da ein kurzer Schneeschauer herunter und dazwischen erhaschen wir sogar noch ein paar wertvolle Sonnenstrahlen.
Für den Rückweg versuchen wir, uns am Rand des Sumpfgebiets zu halten und wo möglich auf die Felsen auszuweichen. Das ist allerdings kaum erfolgreicher als der Hinweg, denn gerade an den Rändern scheint sich auch bevorzugt das Wasser zu sammeln. Dafür entdecken wir aber ein wunderschönes, geschütztes Tal mit einem kleinen Wasserfall, das sich toll zum Zelten eignen würde. Natürlich folgt hier eine weitere ausgedehnte Spielpause, ehe es weitergeht.
In einer malerischen kleinen Bucht treffen wir noch auf eine junge Inuitfamilie, die mit dem Motorboot hergekommen waren und den Tag für ein Picknick nutzen.
Über flache Felsrücken und tiefe senken mit Altschneefelder geht es dann weiter, bis wir beim Friedhof wieder auf den Pfad treffen. Inzwischen ist es später Nachmittag. Die tief stehende Sonne bringt die Eisberge zum Leuchten und das einzige, was man hört, ist das gelegentliche Prusten eines Wals. Tage wie diesen hätten wir uns häufiger gewünscht auf deser Reise. Schade, dass wir bereits für den nächsten Morgen den Bootstransfer zurück nach Ilulissat gebucht haben.
Die Nacht ist frostig und am nächsten Morgen weht ein eiskalter, schneidender Wind. Nichtsdestotrotz müssen wir früh aus den Federn, denn unser Boot soll schon um halb zehn in Ilimanaq abfahren (tut es nicht, aber davon später), und bis dorthin sind es noch ein paar Kilometer zu laufen. Wir quälen uns also schon gegen sechs Uhr aus den Schlafsäcken. Die Luft ist klar und man hat einen tollen Blick auf die entfernt liegende riesige Diskoinsel.
Das Wasser in unserem Wassersack ist über Nacht gefroren und auf den Pfützen

zwischen den benachbarten Felsen ist eine zentimeterdicke Eisschicht. Auf dem Meer sind kleine Schaumkrönchen zu sehen. Wir packen zügig und sind froh, als wir uns endlich in Bewegung setzen können. Aber wunderschön ist es heute und als wir uns warmgelaufen haben können wir das auch genießen. Da die Kinder an jeder Pfütze, die wir unterwegs passieren, die Eisschicht mit Genuß zerschlagen, kommen wir nur recht gemächlich voran. Trotzdem haben wir noch einen guten Zeitpuffer, als wir in Ilimanaq am Hafen stehen und auf unser Boot warten. Aber es kommt kein Boot. Und langsam wird es ganz schön kalt. An der Rezeption der Ilimanaq Lodge sagt man uns, das Boot hätte einen Motorschaden, man bemühe sich um Ersatz. Wir dürfen im Konferenzraum warten und sind froh uns erst einmal richtig aufwärmen zu können. Eine Weile später werden wir duch die junge Frau an der Rezeption informiert, dass es noch gut eine Stunde dauern wird, bis wir abgeholt werden. Ihr ist diese Verspätung sichtlich unangenehm, wir dagegen können uns das Lachen kaum verkneifen, da sind wir in Grönland ganz andere Verzögerungen gewöhnt!
Etwa zwei Stunden später sind wir dann wieder zurück in Ilulissat und haben noch zweieinhalb Tage, bevor unser Flug zurück nach Hause geht.
Wundervolle Fotos. Eure Kinder haben jetzt schon mehr von der Welt gesehen, als manche Menschen in ihrem ganzen Leben.
LikeLike