Der nächste Morgen ist trüb, aber kein Wind. Heute steht also endlich unsere erste Paddeletappe an. Bis wir gefrühstückt haben, das Zelt abgebaut, unsere Sachen gepackt, die Boote aufgebaut und uns schließlich in unsere Trockenanzüge gezwängt haben, vergeht eine ganze Menge Zeit. Als wir endlich zum Aufbruch bereit sind, hat es angefangen zu regnen. Naja, Trockenanzüge helfen auch, wenn das Wasser von oben kommt. Bei Sonne zwischen Eisbergen paddeln ist schon schöner und spektakulärer, aber auch bei solchen Bedingungen hat das Paddeln durchaus seinen Reiz, lässt doch der trübe graue Hintergund die verschiedenen Blautöne einzelner Eisberge umso stärker hervortreten.
Trotzdem ist es nicht ganz unwillkommen, als wir in einer tief eingeschnittenen Bucht

unsere heutige Etappe beenden. Obwohl das Land ringsherum auf den ersten Blick sehr flach wirkt, ist es immer eine Herausforderung einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Da ein Berg uns von der bevorzugten Windrichtung abschattet (diese Windrichtung kennen wir inzwischen nur allzu gut) erwarten wir diesmal nicht allzu große Probleme, aber etwas geschützt sollte es schon sein. Und eben. Dieses Kriterium ist hier, inmitten der buckligen Tundra, gar nicht so leicht zu erfüllen. Unsere erste Wahl fällt auf eine kleine Grasfläche direkt an einem Bach. Aber nachdem wir ein paarmal hin und hergelaufen sind, gibt der Boden immer weiter nach, fängt richtig an zu schaukeln – schlechte Idee also. Etwas weiter werden wir in einer Bachschleife dann doch fündig, stellen das Zelt auf und wärmen uns erst einmal mit heißen Getränken auf, denn es ist ganz schön kalt geworden.
Irgendwann hören wir draußen Stimmen – das erste Mal seit unserem Aufbruch in Ilimanaq. Eine Gruppe deutscher Wanderer kommt des Wegs (naja, ein Weg ist da ja eigentlich nicht, also besser: eine Gruppe deutscher Wanderer kommt vorbei) und sie schlagen unweit unseres Zelts ihr Lager auf. Unnötig die Überraschung zu erwähnen, die uns entgegenschlägt, als unsere beiden Kinder ihre Köpfe aus dem Zelt herausstrecken…
Am späten Nachmittag lässt der Regen nach und wir nutzen die Gelegenheit zu einer kleinen Wanderung zu einem Wasserfall am Ende des Tals.
Während der Nacht klart es auf und am nächsten Morgen sind die Regentropfen vom Vortag an der Zeltwand gefroren. Eine dünne Schicht Raureif bedeckt die Boote und feiner Frühnebel wabert in Schwaden durch das Tal. Der Tag verspricht schön zu werden und es ist noch nicht einmal windig – optimale Paddelbedingungen! (Klar, dass da nicht so bleibt, oder?)
Der weitere Küstenverlauf ist sehr steil und unnahbar, nur gelegentlich unterbrochen

von Abschnitten, wo ein Anlanden überhaupt möglich ist. Durch die bisherigen Wetter- und vor allem Windbedingungen vorsichtig geworden (die unser Fortkommen ja bisher schon deutlich verlangsamt hatten), beschließen wir an Ort und Stelle ein Standquartier zu behalten und heute nur eine Tagestour zu machen. Nach einem kurzen Schwatz mit unseren unerwarteten Zeltnachbarn brechen wir also auf. Heute zeigt sich Grönland von seiner schönsten Seite und es ist wirklich herrlich, bei einem Wechsel aus Sonne und Wolken zwischen in allen Blau- und Weißtönen schillernden Eisbergen zu paddeln. Während wir gemütlich die Küste entlang fahren, kommt ein leichter Wind auf. Rückenwind diesmal, anders als sonst. Und so merken wir kaum, wie der Wind immer stärker wird und nach und nach zu einer stiefen Brise wird. Eigentlich möchte ich noch etwas weiter fahren, bis zu einer schönen Bucht, wo ein Bach ins Meer mündet und wo man gut Pause machen könnte. Aber Lars drängt darauf, dass wir den Wind im Auge behalten. Und tatsächlich, als wir testweise umdrehen und ein Stück zurück paddeln, müssen wir schon kräftig arbeiten um voranzukommen. Wir wollen nicht riskieren, weiterzufahren und dann nicht zurückzukommen und gezwunden zu sein, uns über unbekanntes Terrain auf dem Landweg zu unserem Lager zurückzukämpfen, also kehren wir schweren Herzens sofort um. Meter um Meter kämpfen wir uns jetzt gegen den Wind die Steilküste entlang zurück und sind froh, als wir wieder flachere Ufer erreichen. Ab hier ist der Rückweg zum Lager kein Problem mehr, die Küste macht einen leichten Knick, so dass ein Felsmassiv uns vor dem stärksten Wind abschattet (und auch zu Fuß würde man von hier aus das Zelt ohne Weiteres erreichen). In einer geschützten Bucht machen wir Pause, kochen Nudeln und erlauben den Kindern im ruhigen Wasser der Bucht alleine zu paddeln. Im Windschatten eines Felsens legen wir uns in die Sonne und beobachten die Kinder beim Spielen im Wasser. Erst viel spä
ter machen wir uns auf den Rückweg, entdecken auf dem Weg noch ein verlassenes, wünderschön gelegenes Fischerlager, machen dort eine weitere Pause, wir haben keine Eile.
Auch am Ziel angekommen vergeht noch viel Zeit, bis wir zum Zelt zurückkehren, denn die Kinder spielen noch lange mit den Packrafts an „unserem“ Bach, ziehen einander die Strömung hinauf und versuchen, möglichst ohne auf den zahlreichen Steinen hängenzubleiben, zurück ins Meer zu kommen.
Tage wie heute, sind der Grund, die ganzen Strapazen einer solchen Reise auf sich zu nehmen und entschädigen für alle Mühen wie Wind, Regen, Kälte, Mücken,… Aber Tage wie heute sind leider diesmal allzu rar gesät.