Gegen halb zwei brechen wir zum Flughafen auf. Ole hatte uns am Tag zuvor noch den Tipp gegeben, vorher anzurufen, ob das Flugzeug auch pünktlich startet – Verspätungen von mehreren Stunden sind wohl keine Seltenheit. Aber unser Flug ist annähernd pünktlich. Und so heben wir um kurz nach drei ab in Richtung Uummannaq – oder besser gesagt: Qaarsut, denn Uummannaq hat keine Landebahn, man fliegt in das ca. 22 km entfernte Qaarsut, von wo aus die Passagiere grüppchenweise per Helikopter weiter nach Uummannaq transportiert werden.
In dem kleinen Propellerflugzeug mit nur 37 Plätzen sind die besten Plätze für Familien mit Kindern reserviert (auf grönländischen Inlandsflügen herrscht freie Platzwahl im Flugzeug, und normalerweise werden hier Familien mit Kindern aus der Warteschlange herausgewunken und dürfen zuerst einsteigen und sich auf die,

mit roten „Reserviert“-Aufstellern markierten Plätze setzen). Wir haben also wieder beste Sicht auf die eisige Landschaft unter uns. Steile Hänge wechseln sich ab mit den gewaltigen Gletschern der Disko-Insel und der Nussuaq-Halbinsel und schon bald kommt das Fjordsystem in Sicht, in dessen Mitte Uummannaq liegt. Bis zum Horizont ist hier das Meer gefroren – nur hier und da ragen – von hier oben winzig wirkende – Eisberge aus der glatten weißen Fläche. Dann kommt endlich eine felsige Insel in Sicht mit einem markant aufragenden Berg, und obwohl wir sie noch nie zuvor gesehen haben erkennen wir sie sofort: Uummannaq, unser Ziel!
Das Flugzeug dreht ab und kurz darauf landen wir schon in Qaarsut.
Da wir den ersten Helikopterflug gebucht haben dauert es nicht lange bis zu unserem Weiterflug. Wir sind aufgeregt, denn ein Helikopterflug ist auch für uns etwas ganz Neues.
Der Hubschrauber, in den wir kurz darauf einsteigen, bietet nur Platz für 9 Passagiere und ihr Gepäck. Das Handgepäck wird in einer Klappe im Schwanz des Helikopters verstaut, nur unsere Kameras nehmen wir mit zu den Sitzen. Große Panoramafenster versprechen eine tolle Aussicht während des Flugs. Leider denken wir in der Aufregung nicht weiter über die Platzwahl nach und sitzen promt auf der „falschen“ Seite, nämlich rechts und somit von unserem Ziel abgewandt.
Die Rotorblätter setzen sich geräuschvoll in Bewegung und wir sind dankbar über die Ohrenschützer, die uns zur Verfügung gestellt werden. Dann hebt der Helikopter ab und die kurze letzte Etappe beginnt. Unter uns zieht sich die endlose Meereisfläche, nur die Eisberge wirken jetzt gar nicht mehr so klein. Gelegentlich sieht man weit unten dunkle Punkte, wo Fischer oder Jäger auf dem Eis ihr Camp aufgeschlagen haben und das Eis ist übersät von Snowmobil-, Hundeschlitten-, und, wie wir später merken, auch Autospuren.
Wir genießen jede Sekunde des Flugs. Uummannaq allerdings bekommen wir erst im letzten Moment, zu Gesicht. Und was für ein erster Eindruck das ist: Bunte Häuser klammern sich an steil aufragende Felsen, erreichbar oft nur durch hölzerne Treppen, senkrecht fallen die Klippen zum Meer hinab und über allem thront massiv und unübersehbar der namensgebende Berg – Uummannaq, das bedeutet herzförmig, und der 1170m hohe Berg erinnert wohl in seiner Form an ein Robbenherz. Während wir langsam und staunend in das kleine Flughafengebäude gehen, werden wir bereits von einem bulligen Grönländer freundlich begrüßt: er sein Hans, Frits schicke ihn, um uns zu unserem Haus zu bringen! Er spricht gebrochen Englisch (aber immer noch viel besser, als ich Dänisch spreche). Er zeigt um sich, auf die Häuser, auf den Berg: „Beautiful Uummmannaq“
Wir laden unser Gepäck in seinen Pickup und steigen ein. Was uns als Unterkunft erwartet wissen wir nicht, Frits, über den wir unsere Unterkunft gemietet hatten, war mit Informationen, und überhaupt mit Worten, sehr sparsam gewesen. Wir müssen uns also überraschen lassen.
Zuerst passieren wir den Hafen. Hans zeigt uns aus dem Auto heraus die Kirche, das ehemalige Hotel, das vor ein paar Jahren zugemacht hat, und das Cafe, die im Eis festgefrorenen Boote, die auf dem Meer angeketteten Hunde. „Beautiful Uummannaq“ wieder holt er. Und immer wieder „Beautiful Uummannaq“. Und das ist es: Beautiful. Wunderschön. Schon jetzt, nach wenigen Minuten, hat uns die Insel voll und ganz in ihren Bann geschlagen.
Auf kurvigen und steilen Straßen geht es weiter zu einem kleineren Supermarkt, in
dessen Nähe auch sein Arbeitgeber Frits wohnt und dann weiter zum großen Supermarkt. Durch die vielen Richtungswechsel habe ich inzwischen die Orientierung verloren, aber als ich den Hafen wiedererkenne, merke ich, dass Hans uns nicht auf dem direkten Weg zu unserem Haus fährt, sondern uns eine kleine Stadtführung gibt.
Dann fahren wir die Küste entlang zum anderen Ende des Orts. An einem großen roten Haus halten wir an und Hans zeigt darauf: „this is yours“. Das Haus ist etwas mehr als wir erwartet haben: unten ein großzügiges Wohnzimmer und eine gut ausgestattete Küche, oben drei Schlafzimmer mit jeweils einem Einzel- und einem Doppelbett. Eine großzügige und komfortable Unterkunft für die nächsten sieben Tage!

Hans zeigt uns alles und bietet uns an, uns noch wieder zurück zum Supermarkt zu nehmen, der um sechs schließt, aber wir wollen erst einmal ankommen und nehmen dafür gerne einen verlängerten Fußmarsch später in Kauf. Wir fragen Hans noch nach einem Stadtplan oder einer Karte der Insel, und er verspricht, sich darum zu kümmern. Dann lässt er uns allein und wir richten uns erst einmal häuslich ein, bevor wir uns auf den Weg zum Supermarkt machen. Wir nehmen uns viel Zeit für diesen ersten kleinen Stadtrundgang, denn es gibt an jeder Ecke unendlich viel zu sehen: die bunten Häuser vor den Eisbergen im Meer, Schlitten in jeder Größe und Form, zum Trocknen aufgehängter Fisch, viele kurze und lange Treppen, die die Wege durch den Ort abkürzen, Schlittenhunde auf dem Meer und auf den Felsen…
Um nicht jeden Tag von neuem loszumüssen, kaufen wir reichlich ein und als wir dann endlich wieder zu Hause sind, sind wir wie erschlagen von den vielen Eindrücken und von dem langen Tag – kaum zu glauben, dass wir HEUTE MORGEN erst die Wanderung zum Sermermiut Tal in Ilulissat unternommen hatten!
Als die Schatten langsam länger werden reicht meine Energie gerade noch, um die Felsen hinter unserem Haus hinaufzuklettern und mich etwas umzusehen. Und wieder kann ich mich kaum sattsehen… morgen, ja morgen beginnen wir damit, all das zu erkunden!