Am nächsten Morgen herrscht keine schwache Brise sondern starker Wind. Zum Glück aus östlicher Richtung, Rückenwind also. Anfangs sind die Wellen noch klein, aber je weiter wir fahren, desto größer werden sie. Immer wieder haben wir mit kräftigen Böen zu kämpfen. Wir bemühen uns, uns recht nah am Ufer zu halten, aber bis auf die Wellen ist der Wind nur von Vorteil und wir kommen schnell voran. Am Himmel sehen wir Wolken, die wie große Wogen geformt sind. Ein interessantes Phänomen, Helmholtz-Instabilität genannt, das ich bisher nur von Bildern kenne.
Wir planen, am westlichen Ende des Sees eine weitere Nacht zu verbringen, sind uns aber

nicht sicher, wie hier das Ufer beschaffen ist. Von Weitem sieht man Sand, aber der scheint steil abzufallen und am Ufer stehen recht viele Birken, sumpfig also…
Beim Näherkommen sehen wir, dass der Strand die ersten paar Meter noch flach ist und erst danach steil zum Wald hin ansteigt. Zum Glück, denn für die Weiterfahrt hätten wir uns ein paar hundert Meter weit nach Süden vorarbeiten müssen, also parallel zu den Wellen – kein Spaß!
Wir landen also an. Das wird eine nasse Angelegenheit, die hohen Wellen schlagen ins Boot als das schon auf dem Sand festsitzt und wir müssen uns beeilen, herauszuspringen und das Packraft weiter hinaufzuziehen, bevor wir komplett durchnässt werden.
Ein knorriger Baum am Strand wird sofort zum Spielgerät für die Kinder, aber wir Eltern sorgen uns erstmal über einen Lagerplatz, bevor wir uns entspannen können. Der Wald ist tatsächlich recht sumpfig, hier kann man nicht zelten. Etwas weiter nördlich hingegen schein er trockener zu werden, hier sieht man auch wieder mehr Nadelbäume. Lars bricht zu einem Erkundungsgang auf und kommt wenig später mit guten Neuigkeiten zurück: nur ein paar hundert Meter weiter kann man im Wald gut und geschützt lagern.
Während ich mit den Jaaku laufe bringen er und Niklas nacheinander die Boote zum Lagerplatz.
Wir ziehen uns weit in den Wald zurück, wo es windgeschützter ist, bauen Zelt und Tarp auf und kochen unser Mittagessen auf dem Gaskocher. Als wir gerade mit dem Essen fertig sind, bemerken wir plötzlich eine Frau, die – einen großen Plastikeimer in der Hand – vom Strand aus direkt auf uns zukommt. Sie spricht uns an, erst auf finnisch, dann auf englisch, möchte wissen, ob wir ein Feuer gemacht haben. Als wir ihr zu verstehen geben, dass kein Feuer gemacht haben und auch ganz bestimmt keines hier im Wald, auf Torfboden machen würden, sondern höchstens am Strand, taut sie plötzlich auf, und wir kommen ins Gespräch. Offenbar hatten die Bewohner der nahen Siedlung schon öfters Probleme mit Leuten, die (auch bei Waldbrandgefahr) imkWald Feuer gemacht hatten und sie war, als sie uns mit den Booten gesehen hatte, gekommen um ein etwaiges Feuer zu löschen.
Sie fragt nach unseren Plänen und wir erzählen ihr, dass wir weiter zum nahen Juutuanjoki fahren wollen und dann – unter Umtragung der Stromschnellen – bis ein paar Kilometer vor Inari kommen wollen (danach kommt ein Stück mit sehr vielen Schnellen, davor wollen wir uns an der parallel verlaufenden Straße abholen lassen). Wir unterhalten uns noch ein wenig, dann verabschiedet sie sich und wir sind wieder allein.
Wir wollen bei dem ständigen Wind am liebsten im Wald sitzen, aber die Kinder lassen sich natürlich nicht davon abhalten am Strand zu spielen. Daher wechseln wir uns mit der Beaufsichtigung ab und sitzen nacheinander im kalten, unablässigen Wind.
Am Nachmittag flauf zum Glück der Wind etwas ab und die Sonne kommt heraus. Und so können wir den Platz doch noch genießen.
Etwas später kommt die Finnin aus dem nahen Dorf noch einmal auf uns zu. Sie meint, sie habe über unsere Pläne nachgedacht und mache sich ziemlich Sorgen, dass wir aufgrund des ungewöhnlich hohen Wasserstands beim Aussteigen an den Stromschnellen Probleme bekommen, und ob wir unsere Fahrt nich doch besser früher beenden könnten. Wir beratschlagen kurz und beschließen dann, ihrem Rat zu folgen, was sie sehr beruhigt.
Und so wird es unerwarteterweise unser letzter Abend in der Wildnis vor der Ankunft in Inari…