Der nächste Tag ist Ostersonntag. Daher quält sich der Osterhase frühmorgens aus den Federn, um rund ums Haus die Ostereier zu verstecken. Draußen empfängt mich ihn ein eiskalter, schneidender Wind mit vereinzelten Schneeflocken und so beeilt er sich, wieder ins Warme zu kommen. Eine Stunde später wachen die Kinder auf und stürmen nach draußen (gerade, dass wir sie noch davon überzeugen können, sich warm anzuziehen). Schnell sind die Schokoladeneier alle gefunden (auch wenn der Osterhase in einen Sturm geraten zu sein scheint, denn ein paar der Sachen sind übel zugerichtet) und wir verziehen uns nach drinnen, um die Beute aufzuteilen.
Ole ist noch immer nicht zurückgekehrt, und so machen wir uns selbst Frühstück. Irgendwann entdecken wir weit draußen ein kleines rotes Boot, dass sich schnell auf uns zubewegt: Ole! Die Kinder kleben an der Scheibe und starren nach draußen, um ihn ja als erstes von der Bucht heraufkommen zu sehen. (Die beiden haben einen Narren an Ole gefressen, und er scheint die Zuneigung auf seine schweigsame Art zu erwiedern.)
Ole erzählt uns, dass er gestern bereits zurückkommen wollte, aber das Eis in der Bucht erlaubte kein Durchkommen und so musste er unverrichteter Dinge nach Ilulissat zurückkehren.
Eigentlich hatte Ole mit einem lokalen Musher verabredet, dass dieser uns heute auf eine Hundeschlittentour mitnimmt, jetzt ist er allerdings nirgends zu erreichen. Sein Boot ist jedoch immernoch in der Bucht vertäut und Ole versichert uns, dass der Musher sehr zuverlässig ist und die Schlittenfahrt sicher noch klappen wird. Als es immer später wird, fangen wir dann doch an zu zweifeln.
Um 16 Uhr bekommen wir dann endlich die Nachricht, dass es in einer Stunde losgehen soll. Wir essen schnell, damit die Kinder nicht auf der Fahrt hungrig werden, dann ziehen wir uns dick an. Wir sind schon vorgewarnt, dass besonders die Füße auf dem Schlitten schnell auskühlen und so ziehen wir uns und den Kindern 2-3 Paar Socken übereinander, zwei Lagen langer Unterwäsche, Schneehose und Jacke. Um 17 Uhr stehen wir dann unten auf dem Eis und da kommt auch schon unser Gespann mit hoher Geschwindigkeit auf uns zu.
Zu unser Überraschung sollen wir alle vier auf einmal auf dem Schlitten Platz nehmen, dann geht die Fahrt los. Es ist anders, als ich es mir vorgestellt hatte: wir scheinen viel zu schwer für die 14 Hunde, nur langsam geht es voran, die Hunde müssen immer wieder angetrieben werden. Nach einiger Zeit erreichen wir das Ende der Bucht, und es geht bergauf weiter durch den tiefen Neuschnee. Die Hunde ziehen mit aller Kraft, von hinten schiebt der Musher und dennoch geht es kaum voran. Immer wieder bieten wir an, aufzustehen und zu helfen, was abgelehnt wird. Irgendwann steigt Lars dennoch ab und sofort merkt man die Veränderung: die Hunde sind jetzt so schnell, dass Lars Mühe hat noch hinterherzukommen. Oben wartet das Gespann, Lars steigt wieder auf und dann geht es plötzlich steil bergab. Der Schlitten kommt ins Rutschen, die Hunde rennen in halsbrecherischer Geschwindigkeit vorneweg, um nicht eingeholt zu werden und wir brauchen viel Vertrauen, dass Hunde und Musher die Strecke kennen und schon wissen, was sie tun. Dann haben wir einen zugefrorenen See erreicht und es geht wieder eben weiter. Die Hunde scheinen ihren Rhythmus gefunden zu haben, sind jetzt viel schneller als zu Beginn der Tour und langsam beginnt man ihnen die Freude am Laufen anzumerken.
Langsam werden trotz unserer Vorkehrungen die Füße kalt. Am Ende des Sees machen wir eine Pause. Als wir aufstehen wollen merken wir, dass Jaaku eingeschlafen ist! Der Musher amüsiert sich darüber und langsam kommen wir ins Gespräch. Er erzählt, dass sein Sohn früher auch immer auf dem Hundeschlitten eingeschlafen ist, dass einer der Jungen, die wir gestern beim Schlittenhundetraining beobachtet haben sein Neffe ist, und dass sieben der 14 Hunde, die unseren Schlitten heute ziehen Jungtiere sind. Acht seiner Hunde hat er über den Winter an ein Hundevirus verloren, das sie sich auf einer Fahrt nach Ilulissat eingefangen haben. Auch dort sind viele Hunde gestorben, und noch immer grassiert das Virus.
Nach der Pause machen wir uns auf der Rückweg. Deutlich merkt man den Hunden an, dass sie jetzt genau wissen, welche Strecke sie noch zurücklegen müssen und ihre Kräfte nicht mehr schonen. Wir fliegen förmlich über das Eis. Wieder geht es bergauf (und Lars steigt ab), dann folgt die lange, aufregende Abfahrt zum Meer. In windeseile sind wir zurück in Rodebay und die letzten Meter sind die Hunde garnichtmehr zu bremsen: in einem furiosen Schlußspurt springen wir Eiskanten und Felsen hinauf, bis zu dem Platz, an dem die Hunde normalerweise angekettet sind.
Wir können es kaum glauben, dass wir knapp drei Stunden unterwegs gewesen sind. Was für eine Fahrt! Die Kinder sind ganz aufgedreht, plappern wild durcheinander und spielen noch lange „Hundeschlitten fahren“.