Winterreise nach Grönland(5) -Eine Wanderung am Eisfjord

Der nächste Tag begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein und wir wollen das gute Wetter nutzen, um (diesmal alle zusammen) am Eisfjord wandern zu gehen.

Da wir keine Ahnung haben, wie lange wir unterwegs sein werden (das ist immer sehr von der Tagesform der Kinder abhängig) packen wir reichlich Proviant ein und machen uns dann wieder auf zum alten Helikopterlandeplatz, wo unser Wanderpfad beginnt. Jaaku ik-IMG_6207st heute morgen etwas lauffaul und so leistet uns der geliehene Plastikbob gute Dienste. Außerhalb des Orts passieren wir das Feld, an dem die Schlittenhunde angekettet sind, dann haben wir wieder den Einstieg des Pfads erreicht. Durch eine tief verschneite, menschenleere Landschaft laufen wir auf das Sermermiut Tal zu. Es ist annähernd windstill und das Wasser in der Bucht ist spiegelglatt.

Jeder noch so kleine Abhang wird von unseren Kindern zum Rodeln genutzt, was im tiefen Schnee meist mehr Kraftanstrengung bedeutet, als einfach zu laufen. So arbeiten wir uns langsam zur Küste vor. Unten warnen Schilder den Wanderer eindringlich davor, zu nah ans Wasser zu gehen: in dem engen Fjord können kalbende Eisberge riesige Flutwellen verursachen, angeblich bis zu 20m hoch, die die Ufer des Fjords ohne Vorwarnung treffen.

Von den Siedlungsresten der Torfhäuser ist jetzt im Winter überhaupt nichts zu sehen. Aber auch im Sommer erkennt man als Laie nicht viel mehr als kleine Hügel oder Senken, die mit Stöcken markiert sind.

k-CIMG8783.JPGWir biegen nach links ab, wo eine Treppe zu einem Aussichtspunkt oberhalb der „Altweiberschlucht“ (Kaellingekloften) führt, von wo sich früher während Zeiten der Hungersnot vor allem alte Frauen in den Tod gestürzt haben sollen, um der Gemeinschaft nicht zur Last zu fallen damit das Überleben der Gruppe sichergestellt ist. Das Überleben in der Arktis ist hart und lässt wenig Raum für Sentimentalität…

Oben angekommen rasten wir an einer Picknickbank und genießen den Ausblick über den eisgefüllten Fjord. Vor uns ertönt plötzlich ein dumpfes Grollen als die Front eines Eisbergs zerbirst und tosend ins Wasser abrutscht – ein immer wieder faszinierender Anblick!

Als wir unseren Weg fortsetzen wollen, streikt Jaaku: er hat keine Lust zu wandern und möchte lieber wieder nach Hause. Alles gute Zureden hilft nichts und so überlegen wir, ob wir uns aufteilen, oder ob wir alle zusammen umkehren. Aber davon will Niklas nichts wissen: er hatte sich so darauf gefreut, dem Papa und dem Bruder die vielen tollen Aussichtspunkte zu zeigen, die er gestern entdeckt hatte. Wenn wir jetzt umkehren „dann wäre ja alles umsonst gewesen“. Beherzt nimmt er seinen kleinen Bruder bei der Hand und führt ihn weiter den Weg entlang. Und der Funke sprik-IMG_5798ngt über: kurz darauf ist von Erschöpfung keine Spur mehr zu sehen und die beiden laufen Arm in Arm voraus. Unermüdlich stapfen die Kinder jetzt durch tiefen Schnee, erklimmen Felsen und suchen die blauen Wegmarkierungen. Die letzten Fußspuren hören bald auf und der Schnee um uns herum ist unberührt: hier war seit den letzten Schneefällen vor ein paar Tagen niemand mehr! Da das Terrain recht übersichtlich ist und man im Notfall auch querfeldein gut zurück zur nächsten Straße kommt, stoppen wir den Entdeckerdrang der Kinder nicht und lassen uns einfach überraschen, wie weit wir kommen.

Hoch über dem Eisfjord finden wir immer neue fantastische Aussichtspunkte und wir können garnicht genug kriegen von dem Eis, der Sonne, dem weichen, lockeren Tiefschnee…

Damit die Kinder, die ja ihre Kräfte noch nicht so gut einschätzen können, den Heimweg noch schaffen, dirigieren wir sie irgendwann dann trotzdem in Richtung altem Heliport zurück. Wir steigen in eine kleine Schlucht hinab, von wo aus wir querfeldein wieder zurück zur Straße laufen. Jetzt macht sich die Anstrengung der Tiefschneewanderung schlagartig bemerkbar: beide Kinder haben keinerlei Kraft mehr, noch bis nach Hause zu laufen – den tollen Rodelhügel auf dem Weg, den sprinten sie aber dann doch noch etwa 8 Mal hoch, so viel Zeit muss seink-IMG_6179! Unter Aufbietung unser ganzen Motivationskunst schaffen wir er dann natürlich doch noch gut nach Hause. Während ich einen Abstecher in den Supermarkt mache und (vergeblich) versuche noch ein paar Eier zu kaufen, geht Lars mit den Kindern nach Hause. Kurz vor dem Ziel hält plötzlich ein Auto, aus dem zwei Bewaffnete aussteigen. Sie schleichen sich an und stürmen zwei Häuser weiter die Polizeistation, ein Schuss ertönt, dann lautes Geschrei. Die anderen Passanten scheint das nicht zu beunruhigen und schnell wird klar, dass das Ganze nur eine Polizeiübung war.

Später, als es dunkel ist, suchen wir immer wieder den sternenklaren Himmel nach Nordlichtern ab, heute leider ohne Erfolg. Aber das Wetter soll ja noch ein paar Tage lang so schön bleiben…

 

 

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