Als wir am nächsten Morgen aufwachen herrscht draußen dichtes Schneegestöber. Nach dem anstrendenden Tag gestern lassen wir es ruhig angehen: wir packen uns die Rodel und laufen noch einmal zur Küste beim Kajakclub. Dort rutschen wir eine Weile lang im Tiefschnee die Hänge hinunter, bevor wir uns zu einem kleinen Stadtrundgang aufmachen. Dannn erledigen wir noch ein paar Einkäufe für die nächsten Tage und kehren ins Gästehaus zurück.
Das Osterfest steht vor der Tür, daher verbringen wir den Nachmittag damit, mit mitgebrachten Farben Eier zu färben. Von Westen her klart es langsam auf, und so machen wir uns am frühen Abend noch einmal auf den Weg, denn ich will endlich zum Eisfjord! Unser Ziel ist das Sermermiut Tal, eines der ältesten Siedlungsgebiete Grönlands, das vom alten Helikopterlandeplatz aus auf einem gut ausgebauten, ca. 1 km langen Pfad zu erreichen ist. Direkt an den tierreichen Gewässern des Eisfjord gelegen war das Sermermiut-Tal über vier Jahrtausende hinweg Heimat verschiedener Inuit-Kulturen. Erst gegen 1850 wurde die Siedlung verlassen und das Tal ist heute noch eine der wichtigsten archäologischen Fundstätten des Landes.
Da von unserem Gästehaus zum Einstieg des Pfads auch noch gute 1,5 km zurückzulegen sind, wollte ich eigentlich nur Niklas auf diesen Abendspaziergang mitnehmen, aber da Jaaku sich nicht davon abbringen lässt, uns zu begleiten, sind wir doch wieder zu viert unterwegs. Als wir den zugeschneiten Pfad erreichen, beginnt sich der Himmel im Westen schon bunt zu verfärben, während über uns noch eine dunkle Wolkendecke ist. Das verspricht ein dramatischer Sonnenuntergang zu werden! Ein Stück begleiten Lars und Jaaku uns noch auf dem Pfad, dann kehren sie um und ich gehe mit Niklas allein weiter.
Als wir am Sermermiut-Tal ankommen wird die Färbung des Himmels immer intensiver. Da möchte ich noch nicht umkehren, es zieht mich hinauf auf die Felsen, von wo aus man einen besseren Überblick hat. Zum Glück lässt sich Niklas von meiner Begeisterung anstecken und kraxelt munter über die verschneiten Felsen, läuft voraus, sucht die spärlichen blauen Wegmarkierungen und gibt dabei ein ganz hervorragendes Fotomotiv ab.
Lange können wir uns von dem überwältigenden Anblick nicht losreißen: das Eis im Fjord, die verschneite Landschaft und die Farbenexplosion am Himmel… Erst als die Sonne hinterm Horizont verschwunden ist und der Vollmond im Osten aufgeht machen wir uns auf der Rückweg. Irgendwann ist Niklas dann doch ziemlich kaputt, immerhin ist unser „kleiner Abendspaziergang“ auf ca. 5km angewachsen, und das teilweise über Felsen und durch tiefen Schnee. Aber: er hält sich wacker und so kommen wir doch noch gut nach Hause, wo er nach einem schnellen Abendessen erschöpft ins Bett fällt.
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Ein Gedanke zu “Winterreise nach Grönland (4) – Sonnenuntergang am Eisfjord”